Unterirdisch alles unter Kontrolle: Tunnel und die Cybersicherheit

Koen Van Winkel - Business Segment Manager - Schréder
Koen Van Winkel
Deputy Director, Marketing & Tunnel Business Segment Manager


Werden Objekte unterirdisch verwahrt, geschieht dies immer aus Gründen der Sicherheit. Banktresore, Weinkeller und Geheimgänge – hier geht es darum, die Sicherheit zu wahren. Auch bei Tunneln sollte die Sicherheit an erster Stelle stehen. Im Laufe unserer jahrzehntelangen Erfahrung im Hinblick auf die Tunnelbeleuchtung vollzog sich ein grundlegender Wandel: Die Entwicklung ging weg von einfachen Ein-/Ausschaltern hin zu ferngesteuerten Management- und Steuerungssystemen und neuerdings bis hin zu SCADA-Systemen (Supervisory Control and Data Acquisition / Überwachung, Steuerung und Datenerfassung). 

Unsere Produkte lassen sich nahtlos in diese Systeme integrieren und ermöglichen es Tunnelbetreibern, den Bau schneller voranzubringen, einen sichereren Betrieb zu gewährleisten und Informationen über die Nutzung der Tunnel zu sammeln. Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) sind direkt mit den Leuchten verbunden. Dies ermöglicht die Steuerung und das Feedback von Beleuchtungssystemen in Echtzeit - selbst unter härtesten Umgebungsbedingungen. Wir haben die Beleuchtung für eine Reihe innerstädtischer Tunnel bereitgestellt, in denen rund um die Uhr viel Verkehr herrscht, und auch Beleuchtungsanlagen in Kanada installiert, bei denen das gesamte Tunnelsystem den ganzen langen, kalten Winter über mit großen Mengen an Streusalz eisfrei gehalten wird. 

Gleichzeitig entwickelt sich weltweit auch der Bereich der Cybersicherheit weiter. Vom WannaCry-Angriff wurde im Jahr 2017 das Gesundheitswesen getroffen. Nach Hackerangriffen gegen SolarWinds und Microsoft Exchange Server erkannten staatliche Stellen, wie wichtig es ist, systemrelevante Infrastruktur zu schützen. Ransomware beeinträchtigt in großem Maße alle Bereiche – von der Gasversorgung bis hin zum Gesundheitswesen. Leider kann jede vernetzte Infrastrukturkomponente Ziel eines Angriffs werden. Deshalb auf die unzähligen Vorteile intelligenter Systeme zu verzichten, ist jedoch auch keine Lösung.

Vielmehr sollten wir Cyber-Bedrohungen ernst nehmen und sichere, robuste Systeme schaffen, die den Daten verlässlichen Schutz bieten. Unser Fernsteuerungssystem Advanced Tunnel System 4 (ATS 4) übernimmt genau diese Aufgabe. Es ermöglicht das präzise ferngesteuerte Dimmen und Schalten jeder einzelnen Leuchte. Dank des Systems haben Tunnelbetreiber die vollständige Kontrolle und können Tunnel errichten, in denen sich Autofahrer*innen sicher und wohl fühlen. Die Cybersicherheit ist dabei in jeder Phase gewährleistet.
 

Der Tangenttunnel

Der Tangenttunnel im belgischen Mechelen ist zwar nur 700 Meter lang, seine Ausstattung umfasst jedoch mehr als 1000 Leuchten, 400 verwaltete Switches und Router, Steuerungseinheiten von PLCnext Control (die unter anderem die Beleuchtung, die Belüftung und die Pumpen steuern), Überwachungskameras sowie weitere Sensoren und Sicherheitsvorrichtungen. Das anfallende Datenvolumen ist enorm. 

Der Tangent-Tunnel in Mechelen wurde mit einem intelligenten Tunnelbeleuchtungssystem ausgestattet, das die strengsten Vorschriften zur Einhaltung der Cybersicherheit erfüllt

Um die Cybersicherheit eines solchen Tunnels zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Betreiber den Tunnel effizient verwalten können, stellen wir Ressourcen bereit, die mit der Infrastruktur kommunizieren. Wir konzipieren eine Netzwerkarchitektur zur Verwaltung dieser Ressourcen, testen deren Funktion, entwickeln einen Notfallplan, schulen die Betreiber im Bereich Cybersicherheitsmanagement und führen ein abschließendes Audit durch, mit dem die gesamte Infrastruktur zertifiziert wird.
 

Komplettangebot

Im Zentrum der Cybersicherheitsstrategie der EU steht die NIS-Richtlinie. Sie wurde 2016 eingeführt und stellt sicher, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten die Cybersicherheit in besonders wichtigen Bereichen wie beispielsweise im Verkehrswesen überwachen. Die Richtlinie enthält zudem Vorgaben für die betreffenden Systeme. ATS 4 wurde im Rahmen eines Joint Venture gemeinsam mit Phoenix Contact entwickelt. Das System basiert auf der PLCnext-Technologie, einem offenen Kommunikationssystem für die Automatisierung. ATS 4 ist das erste Steuerungssystem, das sowohl der NIS-Richtlinie als auch der internationalen Norm IEC62443 in vollem Umfang entspricht. Damit ist es de facto der Goldstandard für die Cybersicherheit in Tunnelanlagen: „Security by Design“. 

Die PLCnext-Technologie bildet die Basis für das erste Steuerungssystem, das den EU-Vorgaben für die Cybersicherheit entspricht. Der Schutz geht jedoch noch weit über diese Vorgaben hinaus. Phoenix Contact bietet ein umfassendes, zertifiziertes Serviceangebot, mit dem die Sicherheit der gesamten Anlage gewährleistet werden kann. Gemeinsam bringen wir unser Know-how aus den Bereichen Photometrie, Hardware, Software, Verkabelung, Konnektivität und Leuchten ein und schnüren diese Kenntnisse mit den herausragenden Leistungen von Phoenix Contact im Bereich der Automatisierung zu einem Komplettangebot. Mit fortlaufenden Serviceoptionen und der enormen Erfahrung, auf die wir uns stützen können, finden wir die richtige Lösung für Tunnelprojekte jeder Größenordnung. 
 

Eine Perle unter den Tunneln

Der Hugenottentunnel ermöglicht die Durchquerung der Du Toitskloof Berge in Südafrika, welche die Städte Paarl und Worcester in der Provinz Westkap voneinander trennen. Mit einer Länge von 3,9 km ist dies der längste Tunnel im Land. Er ist 11 km kürzer als die Straße über den Pass. Den Tunnel durchqueren täglich mehr als 12.000 Fahrzeuge. Daher war es keine leichte Aufgabe, die Beleuchtung auszutauschen. Seit der Eröffnung des Tunnels in den 1980er Jahren wurden für die Beleuchtung Leuchtstoffröhren eingesetzt.

Hugenottentunnel-Beleuchtungslösung in Südafrika

Die südafrikanische Straßenverkehrsbehörde SANRAL beauftragte Schréder und dessen Partner Phoenix Contact mit der Bereitstellung der neuen Beleuchtungslösung. Mehr als 6200 energieeffiziente LED-Leuchten, die mit dem ATS-Steuerungssystem angesteuert werden, wurden für die Beleuchtung des in beiden Fahrtrichtungen befahrenen Tunnels installiert. Jede einzelne Leuchte kann separat angesteuert werden. Die Beleuchtungsstärke kann an die spezifischen Tunnelbedingungen je nach Wetter, Tages- oder Nachtzeit, an besondere Anforderungen bei Wartungsarbeiten und an Notfallsensorsignale angepasst werden. Der Kunde war hocherfreut, dass wir im Rahmen der Entwicklung des Projektpakets auch „Cybersecurity by Design“ angeboten haben.

Permanente Vernetzung ist die neue Normalität: Tunnelbetreiber dürfen zu Recht erwarten, dass sie über alle erforderlichen Informationen zu den Betriebsbedingungen im Tunnel verfügen, wie dies auch bei allen sonstigen strategisch wichtigen Infrastrukturkomponenten der Fall ist. Das bedeutet auch, dass man die Cybersicherheit genauso ernst nimmt wie die Gefahr von Bränden, Überflutungen und Unfällen. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit ATS 4 erneut neue Maßstäbe gesetzt haben.
 

Über den Autor
Koen Van Winkel ist seit 2008 für Schréder tätig. Er verfügt über umfassende Erfahrung bei der Entwicklung und Vermarktung von Steuerungssystemen, die in der Beleuchtungsindustrie immer mehr an Bedeutung gewinnen. Er war an der Entwicklung unserer intelligenten Beleuchtungslösungen für Straßen und Tunnel maßgeblich beteiligt und lieferte dabei pragmatische Tipps. Mit seiner Erfahrung und seinem Wissen übernahm er die Leitung des Bereichs Group Sales Support. In dieser Funktion betreute er eine Vielzahl von Kund*innen bei ihren Projekten. Heute bringt er sein wertvolles Know-how auch im Bereich der Tunnelbeleuchtung ein, erweitert unser Serviceangebot und realisiert Projekte in aller Welt.

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